Tobias: Du bist als Yogalehrerin zugleich in Deutschland und unter der Sonne Korfus zuhause, wo Du mehrere Wochen pro Jahr Retreats organisierst. Und gleichzeitig bist Du liebevolle Mutter und zur Zeit alleinerziehend. Wie schaffst Du es beide Lebenswelten zu meistern?
Julia: Alleinerziehend mit Kind zu sein plant man ja weder als Mutter noch als Yogalehrerin. Ich bin nach der Trennung vom Partner in die neue Lebenssituation hineingewachsen.
Warum müssen sich Erfolg und Mama-Sein nicht ausschließen?
Ich persönlich kann mir nichts Angenehmeres vorstellen als eine selbständige Yogalehrerin und Mutter zu sein. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ich erst jetzt durch mein Kind gelernt habe, zielorientiert und effektiv zu handeln. Ich gehe strukturiert an meine Projekte heran und prüfe genau, was mir wirklich Freude bereitet und welche „Aufträge“ ich annehme. Früher habe ich öfter mal in den Tag gelebt und mich gelegentlich verzettelt. Natürlich spüre ich auch Druck, Geld für uns Zwei zu verdienen, aber dank Yoga kann ich die Spannung schnell auflösen und alles ist wieder gut. Oft sehe ich Mütter, die morgens schnell ihre Kinder gestresst zur Kita bringen, weil sie zur Arbeit müssen. Die Kinder spüren den Druck ihrer Mütter und gehen in den Wiederstand. Bei mir kommt es morgens nicht auf 10 Minuten an, das macht mich frei und somit bleiben wir beide in unserer Mitte.
Was sind die größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung für mich ist die Büroarbeit. Da ich meinen dreijährigen Sohn weitestgehend vom Computer fernhalten möchte, muss ich entweder früh morgens arbeiten, spät abends oder eben zwischendurch, wenn das Kind in einer Betreuung ist. Sehr oft kann ich nur in kleinen Etappen meine Arbeit erledigen. Manchmal nervt es mich dann, dass ich eigentlich nichts unmittelbar zu Ende bringen kann. Die Entschädigung ist dann aber mein Kind, welches mich immer wieder zum Staunen und Schmunzeln bringt.
Eine weitere Herausforderung ist, sich nicht mit der Anzahl der Yogastunden zu überfordern. Drei Abende pro Woche ist für mich realistisch und umsetzbar. Kinder werden auch mal krank und da sind es gerade die Abendstunden, wo die Mama einfach da sein muss. Da ich mich für ein Organisationstalent halte, klappt es mit der Betreuung meines Kindes während meiner Arbeitszeiten sehr gut, aber das muss alles gut geplant sein. Ein Plan B oder C als Joker sollte FRAU immer im Hinterkopf haben, das ist entspannter. Und für das Kind ist es auch wichtig, wenn es genau weiß, an welchen Tagen es vom Papa, von der Oma, von einer Babysitterin oder der Tagesmutter betreut wird. Da sich die Wochen wiederholen, kennt das Kind irgendwann den Ablauf und freut sich sogar über die Abwechslung.
Gibt es etwas, was Du im Nachhinein anders machen würdest?
Ich würde heute die zauberhafte Zeit nach der Geburt mit meinem Kind und dem Vater ausgiebiger genießen. Viel zu früh habe ich wieder unterrichtet. Ich war pflichtbewusst und wollte es allen Menschen recht machen. Heute setze ich Prioritäten und jeder hat Verständnis dafür. Ich würde mir auch bereits in der Schwangerschaft einen realistischen Zeitraum überlegen, den ich mir als Erziehungsurlaub gönne. Zum einen wissen dann die Schüler Bescheid, zum anderen nimmt mir das auch den Druck funktionieren zu müssen.
Hattest Du Schuldgefühle, seit Du nicht mehr Vollzeit-Mami bist?
Ich hatte niemals Schuldgefühle. Als Vollblut-Yogalehrerin war mir immer klar, dass ich nun zwar auch Mama bin, dass ich meine Erfüllung aber in der Verbreitung des Yoga finde. Mein Sohn verbindet mit Yoga nur Positives, weil er mich ja auch beobachtet und nachahmt, wenn ich morgens auf der Matte stehe und übe. Wenn ich dann zur „Arbeit“ fahre, jammert er von daher auch gar nicht. Er freut sich und macht den pinkelnden Hund zum Abschied. Schuldgefühle habe ich nur, wenn ich ungerecht bin zu meinem Kind. Als impulsiver Mensch neige ich dazu, auch mal aus der Haut zu fahren, wenn mein Sohn irgendetwas angestellt hat, was mir nicht passt. Aber da habe ich inzwischen auch einen Weg gefunden. Ich erkläre ihm dann, dass ich im „Pitta-mood“ bin und dass ich mich gleich wieder einkriege. Spätestens dann lachen wir schon wieder zusammen.
Was würdest Du Yogalehrerinnen mit Kinderwunsch raten?
Ich kann nur empfehlen, dass Du Dir als Yogalehrerin und Frau eingestehen solltest, wenn Du einen tiefen Kinderwunsch verspürst. Dieses Bedürfnis kann meines Erachtens nur durch das Gebären gestillt werden. Kinder sind das größte Geschenk und mein Sohn ist mein größter Guru. Erst durch mein Kind habe ich das Prinzip des Yoga begriffen. Dazu fällt mir ein Zitat von Frédérik Leboyer ein: „Es gibt eine Freude, die durch nichts getrübt werden kann. Die Freude zu geben, rückhaltlos, unermüdlich. Geben wie die Sonne, wie die Erde, wie eine Mutter.“
Über Julia
Julia Figge ist die Inhaberin von YOGA AUF KORFU. Ihre Naturverbundenheit und ihre Reiselust zog sie während der Sommermonate in den letzten 8 Jahren auf die griechische Insel Korfu. Die Verbindung von Natur und Bewegung erlebt sie, wenn sie Wandergruppen führt, Yoga am Meer unterrichtet und mit den Gästen die Insel erkundet. Wenn sie nicht in Korfu ist, lebt und unterrichtet Julia in Korbach bei Kassel. Ihre Kurse oder Privatstunden sind mal dynamisch und fordernd, mal ruhig und meditativ- sie stellt sich auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen ein.
Mehr über Julias Klassen, Workshops und Yogareisen findest Du auf www.juliasyogawelt.de
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