Gastbeitrag von Silke Schuster
Es gibt Erfahrungen, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. Eine Thai Yoga-Session zählt für mich zu einer solchen Erfahrung.
Der Körper sagt mehr als Worte
Bei einer inneren Erfahrung, die sich auf physischer, emotionaler und mentaler Ebene abspielt, sagen die leuchtenden Augen, die entspannte Körperhaltung und -ausrichtung mehr als 1.000 Worte.
Und doch erliege ich immer wieder der Versuchung, diese Erfahrung – ob als Gebende oder als Empfangende – in passende Worte kleiden zu wollen. Gerade weil immer wieder berührende Situationen im Rahmen meiner Thai Yoga-Tätigkeit entstehen, die sich in meinem Herzen manifestiert haben. Vielleicht wecken meine Worte in diesem Artikel eine Ahnung davon, was Thai Yoga ist, macht und kann.
Was mache ich als Thai Yoga Bodyworker eigentlich?
Als Bodyworker widme ich ganz bewusst meine Zeit dieser einen Person vor mir auf der Matte: Ich wende mich ihr voll und ganz zu. Mit meiner Präsenz bemühe ich mich, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, in der Entspannung und Loslassen stattfinden können. Meine Herzensenergie fließt durch meine Hände in den Körper des Empfangenden – in Form von Handballen- oder Daumendruck, Dehnungen oder dynamischen Techniken. Dabei bewege ich mich auf den Hauptenergielinien.
Durch diesen Kontakt kann ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit entstehen. Sicherlich hat auch die Tatsache ihren Anteil daran, dass der Empfangende lange, bequeme Kleidung trägt und auf einer weichen Matte liegt. Bei kühleren Temperaturen wärmt zusätzlich eine Heizdecke von unten. In der Regel fühle ich, wenn der Empfangende zu frösteln beginnt. Bei Bedarf decke ich den Körper mit einer kuscheligen Wolldecke zu und lege nur den Körperbereich frei, an dem ich gerade arbeite. Gern nehme ich auch eine Wärmflasche dazu. Schon allein das vorsichtige Zudecken schafft ein Gefühl der liebevollen Zuwendung. Sanfte, flächige Hintergrundmusik trägt zusätzlich zur Entspannung bei.
Das, was die „Technik“ im Thai Yoga meines Erachtens so magisch macht, ist das langsame Tempo. Nach dem Prinzip „Du kannst niemals zu viel Druck geben, aber du kannst zu schnell zu viel Druck geben“ lasse ich mein eigenes Körpergewicht langsam tiefer einsinken. Auf die Weise hat der Empfängerkörper Zeit, sich dem Druck anzupassen. Auf zu schnellen, sehr festen Druck reagiert der Körper mit einer Art Schockstarre. Entspannung kann sich so nicht einstellen. Die Tatsache, dass ich selbst nicht aus meiner Muskelkraft, sondern mit meinem Körpergewicht aus meinem Zentrum heraus arbeite, lässt Thai Yoga für mich als Gebende unangestrengt sein. Gerade die dynamischen Techniken bringen auch mich in einen meditativen Zustand. Entschleunigung, Achtsamkeit, Zuwendung und Gespür machen diese Form der Körperarbeit für mich so einmalig.
Wenn die Entspannung einsetzt
Spätestens, wenn dem Empfangenden ein tiefer Seufzer entfährt, weiß ich: Die Entspannung setzt ein.
Allerdings nehme ich auch wahr, wie schwer vielen Menschen das Loslassen fällt.
Da wird mir unbewusst der Arm gereicht, obwohl die einzige „Aufgabe“ des Empfangenden ist: atmen und loslassen. Manchmal erkenne ich an der körperlichen Wachheit oder am Zucken der Augenlider auch ein unbewusstes Verfolgen meiner Bewegungen. Mir selbst geht es zuweilen nicht anders – vor allem, wenn ich als Empfangende den Kopf voller Gedanken und Sorgen zum Termin mitbringe und der Geist einfach keine Ruhe geben will.
Der Prozess der Tiefenentspannung braucht bei jedem unterschiedlich lang – so viele Faktoren spielen mit: zum Beispiel der Charakter (ruhiger oder quirliger Typ Mensch) oder die Lebenssituation bzw. -phase (das Stresslevel, der Leistungsdruck, die Rollenvielfalt …). Vertrauen, Loslassen und Entspannung benötigen ihre individuelle Zeit. Manchmal setzt dieser Prozess bereits innerhalb der ersten zehn Minuten der Session ein, manchmal gegen Ende bei der Kopf- und Gesichtsmassage – manchmal erst bei der nächsten oder übernächsten Session, wenn mehr Vertrauen da ist oder die persönlichen Gegebenheiten ein Loslassen eher zulassen. Immerhin hat es meist auch Jahre gebraucht, um die innerliche Spannung und verspannte Muskulatur aufzubauen. Eine Erwartungshaltung auf „Knopfdruck“ würde nur zusätzliche Spannung bedeuten.
Im Entspannungszustand driften Körper und Geist auf eine Art Zwischenebene ab, ähnlich der Einschlafphase. Der Puls verlangsamt sich, der Atem geht tiefer und die Atemfrequenz reduziert sich. Bei starker Erschöpfung kommt es auch mal zum Tiefschlaf. Wird die Nachruhzeit zu lang, helfen beim Aufwecken nur noch ein Gong oder eine feste Berührung.
Erfahrungen aus der Praxis
Manche Situationen während einer Session oder Aussagen im Anschluss haben sich mir eingebrannt, weil sie mich so berührt haben.
Da war beispielsweise ein körperlich hart arbeitender Mann mit fester Muskulatur, wettergegerbten Armen und rauen Händen. Bislang glaubte er nur an seine Physiotherapeutin. Recht schnell wurde sein Atem bei der Thai Yoga-Session tiefer und gleichmäßiger. Zwischendurch wurde ich schläfrig angeblinzelt nach dem Motto: Was macht sie da bloß? Spätestens beim Druck auf den Armlinien und bei der Handmassage setzte die Tiefenentspannung ein.
Thai Yoga wurde schon als „Zauberwerkzeug“ gepriesen mit der Haltung: „Das möchte ich jeden Tag haben.“ Weitere berührende Zitate sind zum Beispiel:
- „Ich habe mich so geborgen gefühlt, weil du immer da warst.“
- „Es ist jedes Mal erstaunlich, wie der Körper nach der Session ausgerichtet ist. Am Anfang liege ich noch wie auf Pflastersteinen, am Ende liegt der Körper angenehm, vollständig und zurechtgerückt auf der Matte.“
- „Bei der Gesichtsmassage bin ich gefühlt 10 cm über dem Boden geschwebt.“
- „Als du dich am Ende von mir gelöst hast, habe ich immer noch deine Hände gespürt.“
Fazit
Was ist nun das Geheimnis von Thai Yoga? Es dürfte der Mix aus allem sein: die oben geschilderte Atmosphäre von Vertrauen, Wärme und Geborgenheit; das langsame Tempo, in dem Druck auf die Hauptenergielinien und auf verspannte Muskelpartien ausgeübt wird; die sanft intensiver werdenden Dehnungen; die achtsame Zuwendung, die ich nur dieser einen Person 60, 90 oder sogar 120 Minuten schenke. Innerlich können sich Blockaden lösen – die sich dann in leuchtenden Augen, in Tränen oder einer großen inneren Ruhe äußern.
Über Silke
Silke ist Yogalehrerin (E-RYT 200h/AYA und RYT 500h/AYA), Thai Yoga Bodyworker und arbeitet unter dem Namen „Wortschusterei“ als Texterin und Redakteurin. Sie unterrichtet achtsames Vinyasa Yoga. Verwurzelt im Tanz, kreiert sie immer wieder Music Flows frei nach dem Motto „Let it flow & breathe to the beat!“. Yoga und Thai Yoga bilden für sie persönlich die perfekte Einheit – seit mehreren Jahren gibt sie Thai Yoga-Einzelsessions und unterrichtet Workshops, ab 2019 als zertifizierte Thai Yoga Lehrerin auch Ausbildungen. Ihre Begeisterung fürs Schreiben und für Yoga teilt sie auf ihrem Blog Lebensflow
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